2020 - Lichtblicke?!
Eigentlich mag ich keine Jahresrückblicke, egal welcher Art sie sind – weltpolitisch, beruflich oder persönlich – nach vorn zu schauen oder den Augenblick zu genießen, halte ich für erstrebenswerter.
Nun aber war 2020 ein spezielles Jahr, das jeden einzelnen von uns gewollt oder ungewollt, bewusst oder unbewusst resümieren lässt.
Wie soll man einen solchen Rückblick formulieren, ohne zu beschönigen oder aber die schönen Momente zu negieren – „Es war nicht alles schlecht“? – das stimmt zwar für mich persönlich, verletzt aber womöglich die, für die in 2020 wirklich alles schlecht lief… oder „Verzicht“? – stimmt zwar auch, wäre aber meinerseits Leiden auf sehr, sehr hohem Niveau. So habe ich mich, ohne polarisieren zu wollen gefragt, was meine Lichtblicke 2020 waren? Und nun sind wir endlich auch beim Thema Fotografie, denn es waren häufig jene, die ich durch den Sucher der Kamera einfangen konnte.
Alles begann im Prinzip schon zum Jahreswechsel im Riesengebirge: Als wir eines Morgens zu unserer Wanderung aufbrechen wollten, zauberten Kälte, Licht und feinste Eiskristalle eine überirdisch anmutende Erscheinung an den Himmel. Als Naturwissenschaftler spüre ich nicht den geringsten Hauch von Esoterik in mir – ansonsten hätte ich den Halo (man beachte die Form) als Omen für kommendes Unheil gesehen ;-) – so konnten wir das Ereignis einfach unbeschwert genießen und fotografieren.
Schon fast verschwenderisch verwöhnte uns der Winter im Riesengebirge und in Nordnorwegen mit Eis und Schnee – was für ein unbeschreibliches Gefühl, die Stille zu genießen, die das Weiß über dem Land ausbreitet, die Kälte zu riechen, den klaren Sternenhimmel zu betrachten und nur die eigenen Schritte im Schnee zu hören!
Der Frühling kam und mit ihm die „fotografische“ Rückbesinnung auf einen kleinen Aktionsradius – Zuwachs an den geliebten Leberblümchen Bildern gab es erstmals seit vielen Jahren nicht auf der Festplatte, dafür aber viel Zeit für unterschätzte Allerweltspflänzchen in der nahen Umgebung.
Nach 2 mageren Jahren konnte man endlich wieder das Erblühen der Kuhschellen auf den Porphyrkuppen im Saalekreis bewundern...
und beim Anblick des üppigen, lebensfrohen Grüns im Stadtwald Zuversicht tanken.
Knabenkräuter posierten zart und divenhaft vor der Kamera,
Trollblumen strahlten wie tausend kleine Sonnen.
Und erst der Mohn!
Er blühte in diesem Sommer so zahlreich und üppig, als wolle er uns für den Verzicht der vergangenen Monate entschädigen.
Bunte Feldblumen säumten die Feldränder, tanzten im Sommerwind...
...und zarte Glockenblumen läuteten laue Nächte ein.
Ein Jahr ist für mich nicht vollständig, wenn ich das Meer nicht gesehen, sein Sehnsucht weckendes Rauschen nicht gehört und die Stille des weiten Landes nicht gespürt habe.
Was für ein Glück es ist, stiller Zeuge zu sein, wenn sich der Nebel über die Salzwiesen legt, in der Dämmerung die Rufe der Austernfischer zu hören und die zahlreichen Facetten des weiten Himmels zu sehen!
Und was für ein Glück, die Gedanken über dem Meer weilen zu lassen...
die märchenhaften Küstenwälder mit ihren, allen Wettern trotzenden, verzauberten Baumgestalten hinter sich wissend...
und den hoffnungsvollen Flug der Kraniche ins Licht zu beobachten!
Last but not least brachte die milde Sonne eines letzten schönen Oktobertages die Wälder zum Strahlen, das Wasser zum Leuchten, die Seele zum Singen …
bevor nun, am Ende Dunkelheit Einzug hält und ein neues Jahr beginnt.
Meine Wünsche für das neue Jahr haben so gar nichts mit Fotografie zu tun - eben noch wollte ich diese in eigene Worte fassen, las dann aber folgende Sätze von Doris Dörrie, die mir aus der Seele sprechen:
„…Mein Wunsch fürs neue Jahr? Ein Hauch weniger Dummheit auf der Welt. Nur ein Hauch, ich will nicht unverschämt sein. Ein Hauch weniger würde schon viel bringen, angesichts des Riesenbergs an Dummheit, der in diesem Jahr besonders angewachsen ist. Im nächsten Jahr also Bergabbau bitte. Raus aus der Dummkohle. Ich wünsche mir, dass weniger Menschen glauben, dass die Erde eine Scheibe und Angela Merkel eine Echse, Covid-19 nur eine Grippe, Impfen Teufelswerk ist und Facebook eine seriöse Nachrichtenquelle. Ich wünsche mir eine Abkehr von dieser klaftertiefen Dummheit, von Verkürzungen, Vereinfachungen, Verschwörungen, zurück zur Neugier auf mitunter komplizierte Tatsachen und zur Wissenschaft. Dummheit gefährdet Ihre Gesundheit. Sie hat besonders in diesem Jahr viele Menschen das Leben gekostet. Nun bin ich beileibe nicht schlau, aber ich vertraue der Klugheit anderer, die forschen und recherchieren, revidieren, neue Erkenntnisse immer wieder für mich einordnen…“ Zitat: Spiegel 30.12.2020
Vielleicht sind Kraniche mehr als nur Vögel des Glücks - wir könnten viel von ihnen lernen, denn nur in der Gemeinschaft bewältigen sie ihren alljährlichen Kräfte zehrenden Flug.
Euch wünsche ich ein gesundes, kluges, neugieriges, solidarisches, an unbeschwerten Begegnungen reiches, glückliches 2021, das Euch nicht nur auf Euch selbst, sondern auch auf Eure Mitmenschen und die Natur besinnen läßt und Euch möglichst viele persönliche Lichtblicke bringt!