In einer Welt vor dieser Zeit
Stellt Euch vor, es ist Winter, der Schnee liegt meterhoch, es riecht nach Kälte und klarer Luft. Noch sind Begriffe wie Corona und Lockdown nur Schlagzeilen aus China - geografisch und mental ganz weit weg…
Unbeschwert stapft man mit Schneeschuhen durch weite, stille Landschaften, die Gedanken nicht zielgerichtet, sondern irgendwie dahin fliegend, um von der Schönheit der Natur getragen zu werden.
Schneeflocken fallen mal leise - jedes Geräusch schluckend, dann wieder treibt der Sturm sie mit großem Getöse vor sich her.
Kein Märchen, keine andere Welt, noch gar nicht so lange her und doch so weit weg.
Da uns im Winter zuvor die Lyngen-Alpen bei einer kurzen Stippvisite vollkommen in ihren Bann gezogen hatten, beschlossen wir – mein Mann Frank sowie unsere Freunde Uta und Oli Richter - diese wunderbare Bergwelt intensiver zu erkunden.
Eines war uns von vornherein klar: Bilder von Wellen umtosten Stränden, in denen bizarre Eisformationen in samtenes Licht getaucht und von schneebedeckten Bergen gesäumt sind - so, wie man sie von den Lofoten präsentiert bekommt, die kriegen wir dort nicht. Und mal schnell so neben einem Top Spot parken und losfotografieren – geht auch nicht.
Aber wozu auch!? Um mit etlichen anderen Fotografen und Fotoworkshops für das zum tausendsten Mal gesehene Motiv - so schön es auch ist und so sehr man insgeheim liebäugelt, es ebenfalls auf der Festplatte zu haben - um die besten Plätze zu konkurrieren? Nein, das macht keinen Spaß und schmälert das eigentliche Naturerlebnis enorm!
Dann sollten es doch eher die weniger populären, dafür aber selbst erarbeiteten Bilder sein, die mit einem intensiven Erleben der Natur einhergehen.
Bilder, zu denen man auch deshalb eine enge emotionale Bindung hat, weil sie das Ergebnis physischer Anstrengung sind und nicht mal eben so nebenbei entstanden.
Und wie kann man im Winter Natur intensiver erleben, als auf Schneeschuhen? So wanderten wir fast 2 Wochen bergauf, bergab, in verschneiten Birkenwäldchen, durch schmale Täler, über weite Hochebenen, in bestem Winterlicht oder eisigem Schneesturm einsam durch eine grandiose Landschaft.
Wir konnten die Berge in sanftes Licht getaucht sehen, oder beobachten, wie der Sturm feinsten Schnee von den Bergkämmen fegte, der wie ein Schleier die Sonne bedeckte.
Mit ganzer Kraft – fast dramatisch - schickte der Winter mächtige „Schauer körnigen Eises in Streifen“ über raue Felsen, um bald darauf - in einer Atempause - zarte rosa Wolken über den Horizont zu malen.
Manchmal ließ er den Himmel auch einfach nur in stillem Grau ruhen, vielleicht um uns auf die kalligrafisch anmutende Schönheit der nordischen Landschaft aufmerksam zu machen.
Und dem nicht genug: Am Ende gab es dann doch beinahe noch Lofoten-Flair – einsam und in aller Stille…