Die Sommer meiner Kindheit
Es ist einer jener Sommertage an denen ein sanfter Wind, gleich einem Hauch von Seide über die Felder streift, von der Art, dass man glaubt, nur die Arme ausbreiten zu müssen und schon könne man mit ihm davon schweben.
Die Sonne schmeichelt Haut und Seele, ohne zu verbrennen, Feldlerchen zwitschern übermütig vor Lebensfreude.
Meine kleine Hand liegt fest in der eines vertrauten Menschen. Gemeinsam spazieren wir über die Felder, atmen den Duft reifen Korns und die Farben der Wildblumen.
Es ist ein Tag, der die Leichtigkeit des Seins mit allen Sinnen vermittelt. Noch bin ich ein Kind, weiß nicht, was das Wort Glück bedeutet, aber vielleicht habe ich es in jenem Moment gelernt.
Erinnerungen können trügen! Doch scheinen mir die Sommer, die eben diese Leichtigkeit vermitteln, längst der Vergangenheit anzugehören. Es ist ein Verlust, der nicht nur wachsender Lebenserfahrung geschuldet ist.
Immer häufiger strahlt die Sonne sengend heiß vom Himmel, Dürreperioden bringen Mensch und Natur zum Ächzen. Nur noch selten hört man den Gesang der Feldlerchen - vielerorts sind sie gänzlich verstummt. Auch Acker-und Wildblumen machen sich rar im sommerlichen Landschaftsbild.
Überdüngung, Saatgutreinigung und Monokulturen sorgen weithin für Einheits-Grün, das keine Farbtupfer duldet. Werden die Bilder bunt geschmückter Felder eines Tages nur noch in unserer Erinnerung leben?
Zumindest in diesem Jahr fühle ich mich ein wenig in die Sommer meiner Kindheit zurückversetzt - es duftet nach reifem Korn und mancherorts mischt sich roter Mohn mit Kornblumenblau, dem lichten Weiß der Kamille oder dem Violett der Malven. Nicht genug können Auge und Seele davon bekommen.
Nur ein Intermezzo oder ein Hoffnungsschimmer für die Natur, für unsere Kinder, Enkel und deren künftige Erinnerungen an die Sommer ihrer Kindheit???
Denn diese Sommer sind wie ein Versprechen der Natur,
alles Lebende für Kälte und Dunkelheit zu entschädigen.
Sie umschmeicheln die Seele mit Wärme und Licht,
lassen sie in überbordenden Farben und Düften schwelgen.
Die lauen Nächte hüllen uns in eine süße Melancholie,
wohl ahnend, dass jeder Sommer einmal zu Ende geht.