Erinnerungen an den Winter
Es ist zugegebenermaßen schon etwas paradox, wenn man mitten im Hochsommer bei ca. 38 Grad im abgedunkelten Zimmer sitzt, die Hitze aussperrt und einen Beitrag über den Winter schreibt.
Aber so ist das nun mal bei „Wintermenschen“, die erst bei Temperaturen unter 15 Grad „auftauen“.
Mitte Februar reisten wir, mein Mann Frank und ich, gemeinsam mit unseren Freunden Uta und Oli Richter zunächst nach Tromsö – mit einigen Ideen, aber ohne festen Plan, Schneeschuhen, Steigeisen und der fast kompletten Kameraausrüstung im Gepäck, um den Winter zu genießen und das Licht des Nordens einzufangen.
Auf diese Weise für alle Eventualitäten gerüstet, verabschiedeten wir uns nach unserer Ankunft im Norden sehr schnell von der ursprünglichen Idee, die Lofoten zu bereisen.
Das für die Inseln vorausgesagte Wetter mit Starkregen und Sturm kann zwar fotografisch unglaublich spannend sein, aber fotografieren ist ja schließlich nicht alles ;-).
Und so führte uns der Weg zunächst in die Lyngen-Alpen, einem weniger bekannten Kleinod der norwegischen Bergwelt, das wir bereits im September ausgiebig erwandert hatten.
Zu anderen Jahreszeiten bereits äußerst beeindruckend, empfing uns nun eine unglaublich schöne, einsame, unberührte Winterlandschaft, die wir mehrere Tage bei bestem, kaltem Winterwetter...
...bei Vollmond und begleitet vom Leuchten der Aurora Borealis auf Schneeschuhen erkundeten.
Der nach ein paar Tagen folgende Wetterwechsel machte uns mit aller Macht deutlich, dass auch, oder gerade Nordskandinavien nicht vom Klimawandel verschont bleibt.
Innerhalb von nicht einmal 24h stiegen die Temperaturen von mancherorts -28 Grad auf +5 Grad, begleitet von mehrtätigem Starkregen. Die bislang weißen Berge an der norwegischen Küste verwandelten sich rasant in grauschwarze Kolosse. 5 Distrikte in Nordnorwegen verzeichneten den wärmsten Februar seit der Wetteraufzeichnung...
Stets die Warnhinweise der norwegischen Straßenwacht im Hinterkopf (extreme Glätte, Starkregen, Lawinen, Erdrutsche usw.) schlichen wir mit unseren Fahrzeugen gen Schweden ins Landesinnere, dem Winter hinterher.
Der vertraute Anblick von Lapporten,
die abwechslungsreiche Landschaft des Abisko-Nationalparks,
das Spiel von Licht und Wolken...
und die Weite des Torneträsk mit seinen bizarren Eisformationen...
stimmten schnell versöhnlich und ließen uns mit allen Sinnen in eine Landschaft eintauchen, die der Schnee mit seiner Stille bedeckt hatte.
Der Dichter Christian Morgenstern hat sich wohl niemals im Norden aufgehalten und doch spiegelt eines meiner, von ihm verfassten Lieblingsgedichte genau das wieder, was ich beim Anblick dieser stillen Landschaften empfunden habe:
"Der Fjord mit seinen Inseln liegt wie eine Kreidezeichnung da;die Wälder träumen Schnee umschmiegt,
und alles scheint so traulich nah.
So heimlich ward die ganze Welt...
als dämpfte selbst das herbste Weh
aus stillem, tiefem Wolkenzelt geliebter, weicher, leiser Schnee."